Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit dem Supermoto Forum powerwheelie.de veröffentlicht. Er kann Ihnen einen guten Überblick über viele Fragen bezüglich der wunderbaren TM Racing Bikes geben.
TM Racing baut feines Rennmaterial, das dürfte sich mittlerweile schon mehr als ein bisschen herum gesprochen haben. Doch viele Supermotofahrer schrecken vor einer TM zurück – warum wissen viele eigentlich nicht so genau. Oftmals ist es die Unwissenheit über die babyblauen Asphaltschredder, die das Geld der Leute eher orange, rot, dunkelblau oder grün werden lässt. Dabei gibt es viel zu entdecken. Zusammen mit Andre Raab von www.supermotostore.de habe ich eine umfassende Gebrauchtkaufberatung für TM Racing Supermotos verfasst.
Zunächst geht es um die Ersatzteilversorgung. Die größten Bauchschmerzen die jemand beim Betrachten einer weniger gut verbreiteten Marke haben wird, ist die Antwort auf die Frage: wo bekomme ich Ersatzteile im Sturz- oder Schadensfall her? Bei TM Racing im deutschen Ländle kein Problem. Die Ersatzteilversorgung ist sehr gut, oftmals über japanischem Niveau. Das heisst die Teile sind frei und vor allem zügig verfügbar.
Das Vorurteil TM habe schlechte Ersatzteilversorgung ist folglich falsch. Viele Teile sind in einem Tag umgehend lieferbar. Sollte etwas aus aus Italien direkt ab Lager kommen muss dauert es in der Regel zwei Tage.
Wie die Italiener allerdings so sind gibt es die drei Wochen lange Feriensaison zu beachten. Hier geht in ganz Italien nichts, da ist es egal ob die Firma Alpinestars, Ducati oder TM Racing heisst. Denn zur Ferienzeit hängt ganz Italien am Strand. Dennoch ist der deutsche Importeur und das angeschlossene Händlernetz für diese Zeit gewappnet und fast alles ist auf Lager verfügbar.
TM Racing Supermoto – die Modelle
Kommen wir zu den verfügbaren Modellen. Bei TM Racing unterscheidet man zwischen drei Varianten:
1. SMX: reinrassiges Racebike. Keine Elektrik für Straßenzulassung, kein Schnick-schnack, nur Rennsport.
2. SMR: das Straßenmodell. Die SMR ist etwas entschärft im Vergleich zur SMX. Sie hat eine lange Schwinge und der Doppelrohrauspuff fehlt. Die SMR kommt mit einem Vergaser, da für die StVo Zulassung eine Tankanzeige für Reserve vorhanden sein muss. Diese ist beim Einspritzer bei TM nicht vorgesehen.
3. SMM: Straßenmodell mit Einarmschwinge. Bekannt seit den frühen 2000er Jahren gibt es die Einarmschwingenmodelle immer noch. Ähnlich der SMR, nur für die Landstraße.
Das Händlernetz
Man sagt ja meistens es reiche aus wenn man einen guten Händler vor Ort hat. Das Händlernetz für TM Racing ist mit einem Dutzend ausreichend groß. Der Importeur ist Mike´s Bike Shop. Dort findet sich auch eine Händlerkarte für alle die mal genauer schauen wollen, wo es wen gibt.
Die Kaufberatung
Eine sinnvolle Anschaffung stellen die die Bikes ab 2008 dar. Ab 2008 gibt es den Alurahmen bei TM Racing. Ab 2011 sind die SMX Modelle so richtig gut, da sie mit einer sehr guten, vollwertigen Einspritzung daher kommen. Das aktuelle Chassis stellt natürlich immer eine Verbesserung zu den Vorjahren dar. Was die Motoren angeht, so sind diese mit der Einführung der 2008er Modelle als standfest zu betrachten. Die Fertigungsqualität und die eingesetzten Materialien haben sich im Vergleich zu früheren Modellen verbessert.
Das Schmankerl bei TM ist, dass das Wettbewerbsmodell SMX immer den Technikstand des Werksmotorrads vom Vorjahr besitzt. Deswegen gibt es auch keine SMRR, wie man es von Husqvarna beispielsweise kennt. Wird für das WM-Motorrad etwas am Rahmen oder anderen Komponenten geändert, dann ist diese Änderung im Folgejahr serienmässig in der SMX zu finden.
Die SMX wurde als reine Renn-Supermoto konzipiert. Diese Vorgehensweise ist unterschiedlich zu anderen Herstellern wie beispielsweise KTM, welche den gleichen Rahmen für Enduro, Motocross und Supermoto Motorräder nutzen. Bei TM Racing sind der Rahmen und die Schwinge ganz anders als bei den Offroadmodellen. Der Nachteil hierbei liegt auf der Hand: man kann diese Motorräder schlechter im dualen Einsatzzweck nutzen. Das heißt genauer: man will heute Supermoto fahren und morgen Enduro, dann macht das mit einer SMX wenig Sinn. Der Einsatzzweck ist hierdurch deutlich definierter als bei anderen Herstellern, was auf der anderen Seite natürlich eine gezielte Ausrichtung auf Supermoto erlaubt.
Der Rahmen ist nicht verstellbar im Lenkkopf, wie man es von den Husqvarna RR Modellen kennt. Die Fahreigenschaften der SMX sind lediglich über die herkömmlichen Chassisanpassungen wie Gabeleinbauhöhe und Radstand änderbar. Beim Kauf einer SMX mit einem Öhlins TTX gibt es allerdings die Möglichkeit einer Höhenverstellung am Heck. Das Serienfederbein, TM Factory oder das „kleine“ Öhlins bieten diese Option nicht. Apropos Federbeine: Das Serienfederbein ist ein Sachs, wie man es unter anderem an jüngeren Husqvarna Modellen findet. Das TM Factory Federbein ist im Grunde genommen ein umgelabeltes Showa Federbein bei dem lediglich das Gehäuse von TM gefertigt wird. Der Vorteil hierbei ist, dass eine große Anzahl von Fahrwerkstunern Dichtsätze, Ersatzteile und Einstellerfahrung mit diesen Dämpfern haben. Das mit 300€ Aufpreis versehene Öhlins Federbein bietet laut Andre Raab allerdings keinen wirklichen Vorteil gegenüber dem TM Factory Federbein. Einen großen Sprung macht man als Besitzer des TTX Federbeins. „Sobald man in einer Rennserie fährt, sagen wir mal einen Cup oder in der DM, dann kommt man um das TTX eh nicht drumherum. Das TTX funktioniert besser, ist besser einstellbar und hat einfach mehr Reserven“. So das Wort zum Sonntag von Andre Raab.
Für den gemeinen Wochenendkrieger, der die Asphaltbänder der umliegenden Kartbahnen quält, macht es dennoch am meisten Sinn das Geld in ein TM Factory Federbein zu investieren. Dieses bietet das beste Preis-/Leistungsverhältnis.
Auf den Kunden abgestimmt kommt allerdings keines der verfügbaren Federbeine. Es gibt die Möglichkeit, eine andere Feder ab Werk verbauen zu lassen. Die 530 Supermoto hat eine andere Federhärte ab Werk, welche dann genutzt werden kann. Ganz ohne Aufpreis. Die Dämpferabstimmung wird aber ab Werk nicht beeinflusst.
Vorne werkelt in allen jüngeren SMX Rennern eine 50er Marzocchi. Die Gabel hat sich schon häufig als sehr brauchbar erwiesen. Anno 2013 fährt Michi Herrmann die Gabel in der Supermoto-DM. Erstaunlicherweise ohne Öhlins Cartridge, lediglich mit einem Gabeltuning.
In Bezug auf das Bremssystem gibt es zu beachten, dass die normale 245mm Bremse die am TM Hinterrad werkelt ggf. etwas überdimensioniert daher kommt. In der DM wird mit einer 205mm Scheibe gefahren, da diese nicht so bissig und so besser dosierbar ist.
SMX Supermoto – der Motor
Der Motor: DOHC – heisst also zwei obenliegende Nockenwellen. Ventile: Titan. Der Laie schluckt, der Fachmann staunt. Problematisch sind diese Bauteile nicht, da das verwendete Material sehr gut ist. Aus Erfahrung ist die Einstellung des Ventilspiels sehr selten. Das spricht für die Qualität. Die Shims hierfür gibt es nicht im Zubehör, sondern nur bei TM. Diese befinden sich auf Normalpreisniveau wie bei anderen Herstellern.
Die Revisionsintervalle im Rennbetrieb bei Hobbyfahrern sind sicherlich wichtige Aspekte für den geneigten Kringelracer. Bei ca. 80 Betriebsstunden sollte man sich den Motor einmal genauer zur Brust nehmen. Andre Raab empfiehlt als Motorradmechaniker-Meister dann Kolben und Pleuel raus zu werfen, die Kurbelwellenlager und die Steuerkette auszutauschen. Im Bereich des Zylinderkopfes gibt es für gewöhnlich wenig zu tun. Pro forma sollten aber Ventile, Ventilsitze und den generellen Zustand des Kopfes anschauen. Der Zylinder sollte vermessen werden, damit dieser auf Rundheit geprüft werden kann. Aus Erfahrung gibt es bei letztgenannten Aspekten keinen Handlungsbedarf.
Kickstarter versus E-Starter
Männerhebel versus Pussyknöpfen – mehr nicht? Doch, viel mehr. Die SMX Modelle
mit Kickstarter drehen deutlich schneller und aggressiver hoch. Diese haben einen deutlich anderen Motor, da Kurbelwelle, Gehäuse, Lichtmaschine anders sind. Bei den Anlassermodellen sind Lichtmaschine, Anlasser und Anlasserfreilauf, Polrad und Kurbelwelle größer bzw. anders. Der Unterschied beträgt über 5 kg. Von diesem Wert lassen sich einige Grämmchen durch die Montage eines Lifepo Akkus abziehen.
Der durchschnittliche Hobbyfahrer ist wohl mit einem E-Starter schneller, weil das Motorrad nicht so aggressiv ist. Aufgrund der höheren Schwungmasse lässt sich dieses ruhiger fahren. Für die Aggro-Fraktion dürfte ein Griff zum schlankeren Kickstartermodell eine echte Alternative darstellen.
Vorteil E-Start: am Vorstart stehend kann man das Motorrad abschalten um ein Überkochen zu verhindern. Ein Druck aufs Knöpfchen und sie lebt wieder. Nicht unbedingt eine bevorzugte Vorgehensweise mit einem Kickstartmodell.
Carbon Ram Air Kanal – ja oder nein?
Der Carbonschlund kann auf jeden Fall eines: verdammt wichtig und schnell aussehen. Das muss man dem Ding ja lassen. Aber: das Motorrad lässt sich scheisse schrauben mit dem Kohlerüssel. Um das Federbein auszubauen muss die Schwinge beispielsweise raus. Der Steuerkettenspanner ist verdeckt und beim Ventile einstellen ist das Ding im Weg. Die Qualität des Kanals ist sehr hochwertig. Für die Pussyknopffraktion stellt sich allerdings die Frage nach ja oder nein nicht: Den Ram Air Kanal gibt es nicht bei E-Start Modellen, weil der E-Start-Kit dann im Weg ist.
Auf dem Prüfstand hat die Montage des Rüssels keinen den großen Unterschied gemacht. Andre Raab meint: „Wenn dann merkt man es nur auf sehr schnellen Strecken“.
Ersatzteilpreise – viel teurer oder nicht?
Nein, TM Racing Teile sind nicht viel teurer oder gar überhaupt teurer als die japanischen und österreichischen Pendants. Bei Bauteilen wie Pleuel und Kolben gibt es ein paar TM Racing Modelle die preislich ausreißen. Normalerweise sind die Preise aber in etwa auf KTM Niveau. Mittlerweile gibt es Zubehörprodukte von Prox, wie z.B. Kolben. Die Zubehörbranche entdeckt das Thema TM immer mehr. Alles gibt es noch nicht, dafür ist TM noch zuviel Nischenprodukt. Als Anhaltspunkt: ein Plastikkit kostet ca. 180€ (inkl. Gabelprotektoren – nicht wie bei Ufo). Das Preisniveau ist so wie bei anderen Herstellern als Originalersatzteil auch. Im Vergleich: Ein OEM Plastikkit kostet bei Husqvarna etwas mehr als 180€ – da steht dann eine 2 vorne.
Eine kleine Anekdote:
Bei Neubestellung eines Motorrads ist man bei TM sehr flexibel, was die Auswahl der Komponenten angeht. So kann der geneigte Kunde sich sein Motorrad nach genauen Wünschen zusammen stellen. Dies zeigt sich an den Fahrwerkskomponenten, aber auch bei Spezialwünschen, die nicht dem offiziellem Auswahlkatalog angehören. Das heißt genauer, dass auch bspw. SMR Modelle auf Kundenwunsch mit Einspritzung oder durchsichtigem Endurotank ausgeliefert werden könnten. Warum man letzteres wollen würde sei mal dahin gestellt, aber möglich ist es.
Fazit
TM Racing Supermotos sind im Vergleich zur verbreiteten Übermacht von Hondas, Husqvarnas und KTMs eher weniger verbreitet. Die vielen Vorurteile die der Marke entgegen gebracht werden sind oftmals unberechtigt. Sicher bleibt TM für die kommende Zeit eine etwas kleinere Nischenmarke, was aber offensichtlich nicht auf die Qualität der Produkte abfärbt. Auch die Verfügbarkeit der Teile zeigt, dass diese Motorräder durchaus alltäglich hart rangenommen werden können. Wer auf der Suche nach einem reinrassigen Race-Bike für die Supermotostrecken dieser Erde ist, der sollte beim nächsten Neu- oder Gebrauchtkauf auf jeden Fall einen Blick in die babyblaue Ecke der Motorrad-Inserate in Foren, Verkaufsplattformen und bei Händlern werfen. Mit Gewissheit bleibt nämlich eine umgebaute Enduro tief in der Seele immer eine umgebaute Enduro – und die TM SMX Supermotos ein feuerspeiendes Supermoto-Rennmotorrad das sich mit den besten Produkten der großen Hersteller mehr als messen kann.